Wissenschaft in Entwicklung und der Begriff der Zeit

Einleitung

Die Wissenschaft entwickelt sich durch die Tätigkeit von Forschern. Neue Schritte bauen auf Erkenntnisse der Vorgänger auf. Die Vorstellungen über Struktur und Entwicklung des Universums, der Galaxien und Sterne, der Planeten und Kometen konnten nur nach immer weiterführenden Untersuchungen zustande kommen. Dabei haben sehr oft neue Technologien und Messmöglichkeiten zu wesentlichen Fortschritten im Verständnis beigetragen. Neue Modelle, die bekannte Phänomene erklären und neue Phänomene vorhersagen können, wurden zu wahrhaften "Entdeckungen", wenn die Vorhersagen bestätigt wurden.

Wenn man zurückschaut, gibt es eine Menge an aus unserer Sicht "merkwürdigen" Ideen über die Eigenschaften der Natur und des Universums. Sie hatten oft über Jahrhunderte Bestand, da die damals gegebenen Erklärungen nicht in Frage gestellt wurden, eben wegen mangelnder Überprüfungsmöglichkeiten, aber auch, da die Phänomene für das tägliche Leben kaum Bedeutung hatten. Hinzu kommt, dass manchmal in "heiligen Büchern" scheinbar ausreichende Anweisungen zur Erklärung von unverständlichen Phänomenen vorformuliert waren.

Aus heutiger Sicht sind viele der alten Vorstellungen kaum als damals akzeptierte verstehbar. Zwei hier relevante Beispiele sind:

Die aufgeführten Beispiele haben beide mit dem Verständnis von Zeit und damit von Evolution zu tun. Ihre Widerlegung wurde erst durch die Entwicklung einer kritischen Haltung der Wissenschaftler und durch deutliche Objektivierung des Forschens mit Theorie und Beweis möglich.

Entwicklung zweier Begriffe - Zeit und Evolution

Es waren die palaeontologischen und die geologischen Erforschungen, die am ehesten und am stärksten zu der Änderung des Zeitbewusstseins der Menschen beigetragen haben. Der Däne Nils Stensen (Nikolaus Steno) und der Engländer Robert Hooke kommen um 1670 mit der richtigen Erklärung für die Muscheln und Haizähne, die im Gebirge gefunden werden können: Gebirge wachsen nicht wie Bäume, sondern entstehen durch Anhebungen, z.B. von alten Meeresebenen, eine Idee, für die es zu der Zeit noch keine unterstützenden Fakten gab. Die Entdeckung vieler Fossilien und die recht einleuchtenden Berechnungen zu der möglichen Dicke der Ablagerungen der Sedimente zeigten, dass die Erde viel älter sein musste als aus der alten Berechnung folgte. Alleine die Interpretation der Erdschichten mit den Fossilien machte viel später klar, dass die Dinosaurier vor hunderte Millionen Jahren hier lebten, und vor etwa 65 Millionen Jahren weitgehend ausstarben.

Bei Steno und Hooke (später auch bei anderen) kam dadurch Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Schöpfungsgeschichte der Bibel auf, was zu inneren Konflikten mit der Glaubenslehre führte. Hooke erkannte auch, das Fossilien auf ausgestorbene Tierarten hinweisen und das die Erde jetzt wohl "dürrer" sei (Klimawandel...?). Aber beide Gelehrten zwangen ihre Ideeen doch in die biblischen Chronologie hinein, was notwendigerweise zu postulierten kurzzeitigen Änderungen in der Vergangenheit der Struktur der Erde führen musste, z.B. gewaltigen (grotesken) geologischen Änderungen durch den Sintflut. Es führte im 18. und 19. Jh. zu den Katastrophentheorien.

Die Astronomie zeigte im 19. Jh., dass auch die Sonne wohl älter als 8500 Jahre sein musste. Die effizienteste bekannte Energiequelle damals, die Steinkohle, wurde auch zur Berechnung des Mindestalters der Sonne verwendet. Bei der bekannten Masse von etwa 2 1030 kg (aus der Umlaufzeit der Erde um die Sonne und den Newtonschen Gesetzen) könnte die Sonne, falls sie immer so geleuchtet hatte, bis zu 1 Million Jahre alt sein. Heute wissen wir unter Einbindung der Erkenntnisse zur Kernfusion, dass die Sonne etwa 4.5 Milliarden Jahre alt ist.

Schliesslich haben die Veröffentlichungen von Darwin den Begriff Evolution fest etabliert. Damit wurde es logisch, das auch die Erde eine Geschichte hat, das es geologische Evolution gibt. Und sinngemäß auch Evolution des Universums.

Neue Theorien und deren Akzeptanz

Die Weiterentwicklung der vielen Ideen ging selbstverständlich nicht immer ohne Probleme. Manche Theorie war falsch, andere wurden nicht geglaubt. Wieder andere waren sofort erfolgreich. Auch dafür gibt es viele Beispiele. Hier möge von jeder Sorte eines dies dokumentieren.

Die Wissenschaft arbeitet mit nur wenigen Grundregeln. Eine ist, dass jede Idee nachvollziehbar und überprüfbar sein soll, oder aber widerlegbar sein könnte. Ein weiterer Grundgedanke ist (schon seit Occam; England, 13. Jh.), dass eine einfache Theorie mit möglichst wenigen "Parametern" besser ist als eine komplizierte mit vielen Annahmen und "freien" Parametern.

Des weiteren glaubt man, dass gewisse Modelle vielleicht durch eine allgemeinere (dann "höher" genannte) Theorie vereinheitlicht werden können. Ein gutes Beispiel ist wieder die Relativitätstheorie im Bereich der Bewegung der Körper und der Gravitation: sie ist generell gültig, aber bei "kleinen" Geschwindigkeiten werden die Gleichungen zu der Newtonschen Form vereinfachen.


Quellen:
        A. Cutler, 2004. "Die Muschel auf dem Berg - Nikolaus Steno"; Albrecht Knaus Verlag
        S.J. Gould, 1989. "Zufall Mensch". ISBN 3-446-15951-7
        S. Toulmin & J. Goodfield, 1965. "The discovery of time" (U. Chicago Press re-edition)
K.S. de Boer   www.astro.uni-bonn.de/~deboer/eida/wisszeit.html   2004.07.28;   2005.03.31, 2017.12.28